Irgendwann verließ Christian München, nach zehn Jahren, und zog nach Hamburg. Es sah nicht unbedingt nach einem Abschied mit Wehmut aus. Christian schien irgendwie durch mit München, aber Hamburg mochte er auch nicht, hier sei es wie in Schweden, sagte er, so nordisch, diese Stadt fühle sich an wie Rückkehr, wie Resignation.
Er hatte ein Stipendium ergattert, ein Jahr lang zahlten sie ihm eine Dachwohnung auf der Fleetinsel, immerhin dort, wo Hamburg am wenigsten hanseatisch wirkt, eher venezianisch. Wir verabredeten uns fast immer, nicht weit von Christians Wohnung, in einer winzigen Absturzkneipe am Großneumarkt, dann zogen wir weiter, auf den Kietz, meistens unter der Woche, wegen der Intimität, die man dort genießt, solange die Touristen noch nicht da sind. Christian mochte „Rosis Bar“, wegen der derben Herzlichkeit der Frauen, und der Typen, die Schrammen haben, mindestens so viele wie das Mobiliar. Vielleicht braucht man so was, nach vier Jahren München.
Wie die meisten ernstzunehmenden Künstler redet Christian wenig über Kunst. Ihn zu treffen, hat mich immer an die Schule erinnert. Wenn man 16 ist, lernt man Leute kennen, die man mag oder nicht mag, man kann es nicht begründen, es gibt ja keine Geschichten, keine Vergangenheit. Man mag die Menschen nicht für das, was sie tun, sondern umgekehrt, man mag Dinge, weil sie von eben diesen Menschen gemacht werden.
Ich glaube, so ist das bei Christian immer gewesen. Er hat sich ja als sich selbst exponierender Performance-Künstler einen Namen gemacht, wahrscheinlich weiß er, dass es zu einem nicht unwesentlichen Teil er selbst ist, was die Leute an ihm mögen.
Christian besitzt die Gabe, immer ein Popstar zu sein, egal was er ist oder macht. Er ist die Verkörperung des Zeitgeists, ein unverfälschtes Bio-Wesen, das dir erzählt, dass er sich gerade auf dem Klo einen runter geholt hat, und es ist okay. Er könnte dir noch viel üblere Sachen erzählen, kein Problem. Er ist so was wie ein Filter, ein Transformator, am Ende ist alles, egal ob gut oder schlecht, ob schön oder hässlich, wie er selbst – reine Natur.
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